Konflikte - ein natürliches Merkmal von Gruppenprozessen
Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Er weiß, dass der Nachbar einen Hammer hat und überlegt sich, ob er bei seinem Nachbar nachfragen und sich von ihm einen Hammer ausleihen soll.
Doch da kommt ihm ein Zweifel: "Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht borgen will? Gestern schon grüsste er mich so flüchtig. Vielleicht war er in Eile? Aber vielleicht war die Eile nur vorgetäuscht und er hat etwas gegen mich? Und was? Ich habe ihm nichts angetan, der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht's mir wirklich."
Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet und noch bevor er "Guten Tag" sagen kann, schreit ihn unser Mann an: "Behalten Sie doch Ihren Hammer, Sie Rüpel!"
Quelle: P. Watzlawick. Anleitung zum Unglücklichsein. Piper Verlag München, 1983
Konflikte in einer Gruppe treten immer dann auf, wenn zwei unterschiedliche, nicht vereinbare Handlungstendenzen aufeinandertreffen. Diese können verschiedene Ursachen haben:
Die Menschen sind unterschiedlich,
die Toleranzschwellen der Menschen sind unterschiedlich,
Prestige und Anerkennung bestimmen menschliche Handlungsweisen,
Mängel in der Organisation schaffen Reibungen,
Veränderungen lösen Widerstände aus.
Diese Konflikte können ihre Ursache somit in inneren Konflikten der beteiligten Personen, in interpersonellen oder in intergruppalen Schwierigkeiten haben. Teilweise treten diese Konflikte offen, manchmal versteckt oder auf der Inhalts- bzw. Beziehungsebene auf.
Die Erfahrungen zeigen, dass Anordnungen, Befehle, Ratschläge und Vorwürfe nicht zur Konfliktlösung beitragen, da sie ein eher feindseliges Gesprächsklima schaffen und persönliche Widerstände provozieren. Oftmals werden deshalb Scheinlösungen gefunden, welche nicht an der eigentlichen Ursache der Konflikte anknüpfen.
Konflikte in einer Gruppe sind etwas Natürliches. Es geht also nicht darum, Konflikte zu vermeiden, zu unterdrücken oder zu überbrücken, sondern sie offen anzusprechen und gemeinsam zu versuchen, Lösungen zu entwickeln.